Nicht nur in Büchern wie “Die Wolke” ist die Frage nach der Ansteckungsgefahr von Radioaktivität ein Thema. Ich denke, das kommt vor allem daher, dass man von radioaktiven Unfällen und/oder Katastrophen, egal ob real oder aus Filmen, gewohnt ist Helfer in diversen Arten von Isolierungsanzügen zu sehen. Diese Bilder werden dann im Kopf gleichgesetzt mit Eindrücken von Filmen wie Outbreak oder realen Nachrichten über Ebola und Radioaktivität landet schnell in der gleichen Kategorie wie Viren oder Bakterien.
Grundsätzlich ist Radioktivität nicht ansteckend. Wenn eine Person oder ein Gegenstand “verstrahlt” worden ist, dann kann man sie oder ihn immer noch gefahrlos handhaben, solange kein radioaktiver Staub daran klebt und keine Aktivierung stattgefunden hat. Dieser radioaktive Staub ist nämlich der Grund, warum die Helfer im Film und in der Realität mit den Schutzanzügen herumlaufen. Diese Anzüge schützen nicht vor radioaktiver Strahlung, denn die geht durch eine Plastikschicht genauso einfach durch wie durch eine Jeanshose. Die Anzüge sind dazu da, um Inkorporation, also die Aufnahme von radioaktiven Isotopen in den Körper, zu vermeiden. Denn wie ich hier schon öfter geschrieben habe, ist Strahlung von außen zwar gefährlich, aber man kann sie gut messen und kontrollieren und sobald man von der Quelle räumlich getrennt ist, wird kein neuer Schaden mehr angerichtet. Einen radioaktiven Stoff in den Körper aufzunehmen, sei es durch Einatmen, Verschlucken oder ähnliches ist wesentlich gefährlicher, da die entsprechende Substanz wesentlich länger wirkt und dabei mehr oder weniger direkt an der Quelle sitzt, wo sie Schaden anrichten kann. Bei Alpha-Strahlung zum Beispiel ist Inkorporation in den Körper sogar der einzige Weg, wie sie Schaden anrichten kann, denn durch unsere Haut kommt sie gar nicht erst durch.
Dieser radioaktive Staub ist dann auch das Einzige, was wirklich als “ansteckend” bezeichnet werden könnte. Denn wenn ich einen Gegenstand habe, der radioaktivem Staub ausgesetzt war und ich diesen dann wasche oder dekontaminiere, dann hole ich den Staub ja nur von einer Oberfläche herunter und packe ihn auf eine andere drauf. Wenn ich mit einem Lappen drüber gehe, dann wird mein Lappen kontaminiert und dank des radioaktiven Staubes in seinen Fasern ebenfalls strahlend. Das waren z.B. auch die großen Probleme von Tschernobyl und Fukushima. Eine Kernschmelze an sich betrifft erst mal nur die unmittelbare Umgebung. Erst wenn radioaktive Partikel durch eine Explosion, Wind oder Wasser weggetragen werden, wird die weitere Umgebung in Mitleidenschaft gezogen.
Dekontamination funktioniert anders als Desinfektion. Bei der Dekontamination will man das radioaktive Material wegbekommen, sicher verschließen und lagern, während man bei der Desinfektion mit bestimmten Chemikalien die Bakterien und/oder Viren chemisch so verändern will, dass sie für uns harmlos werden. Wenn ich aus einem Operationssaal herauskomme, dann soll ich mir ca. 5 Min lang mit einer bestimmten Seife, die eine bestimmte Einwirkzeit hat, die Hände waschen. Wenn ich aus einem Reaktor herauskommen, dann kommt es vor allem darauf an, die Hände abzuschrubben. Eine Einwirkzeit oder sowas gibt es nicht und die Seife dient nur dazu, die Schmutzpartikel besser von meinen Händen zu lösen.
Im Umfeld von Fukushima haben sich einige Medien exzessiv darüber ausgelassen, dass die Helfer an der ein oder anderen Stelle nur dünne Einmalanzüge gehabt hätten, die sie mit Klebeband an den Stiefeln festkleben mussten wo man doch High-Tech-Überdruck-Schutzanzüge erwartet hätte. Wenn man so einen Bericht mit dem Gedanken im Hinterkopf guckt, dass die Anzüge eigentlich nur dazu da sind, zu verhindern, dass Staub aufgenommen wird, ja dann ergeben sie irgendwie einen anderen Sinn.
Also, Strahlung ist nicht ansteckend. Das ganze gilt allerdings nur mit einer Art von Sonderfall. Sehr hochenergetische Strahlung (Partikelstrahlung besser als Photonen) kann Material aktivieren, das heißt in den jeweiligen Materialien stabile Isotope in andere instabile, also radioaktive, Isotope vewandeln. Wenn ich zum Beispiel mit Neutronen auf Deuterium schieße, das selber nicht radioaktiv ist, dann kann es eines dieser Neutronen einfangen und damit zu Tritium werden. Dieses ist ein radioaktiver Betastrahler mit einer Halbwertszeit von ca. 12 Jahren. Etwas ähnliches kann mit vielen Arten von Strahlen und vielen anderen Materialien auch passieren, so dass hochenergetische Strahlung in der Tat ansteckend sein kann. Denn ich kann ein Material nicht nur einmal aktivieren, sondern bei sehr hochenergetischer Strahlung kann ich ein Atom so energiereich anregen, dass die von ihm abgegebene Strahlung wiederum stark genug ist, um andere Atome zu aktivieren. Das funktioniert aber max. ein paar Mal und nicht wie bei Wirten von Viren oder Bakterien theoretisch unendlich oft.
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